Gluten: Darum ist das Klebereiweiß beim Backen so wichtig

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Gluten und Getreide hängen zusammen wie Trauben und Wein, Pasta und Italien oder Fett und Käse. Und hängen ist dabei tatsächlich wörtlich gemeint: Gluten ist ein Kleber in vielen Getreidesorten. Es sorgt für die Klebrigkeit und den Zusammenhalt eines Teiges, gleichzeitig auch für dessen Elastizität.


Was ist Gluten?

Wissenschaftlich betrachtet ist Gluten ein Gemisch aus Eiweißen, das in den Samen einiger Getreidesorten lagert.


Der Begriff Gluten stammt vom lateinischen Wort „gluten“, was so viel wie Leim heißt. Das Gemisch besteht aus 90 Prozent Proteinen, acht Prozent Lipiden und zwei Prozent Kohlenhydraten. Unterschieden wird zwischen zwei Eiweißgruppen in Gluten: Prolamine und Gluteline. Je nach Getreideart sind die Eiweißgrüppchen verschieden. So heißen die Eiweißteilchen im Weizenmehl etwa Gliadine und Glutenine, bei Roggenmehl unterscheidet man zwischen Secalin und Secalinin und in Hafer kommen Avenin und Avenalin vor.

Warum ist Gluten beim Backen wichtig?


Aber nicht nur Name, sondern auch Klebereigenschaften der in Gluten enthaltenen Eiweiße variieren stark – und das ist fürs Backen entscheidend.

Gluten bindet Wasser und hält einen Teig zusammen – je nach Getreidesorte mal mehr, mal weniger gut.


Die Eiweißteilchen in Weizenmehl „kleben“ beispielsweise besser als jene in Dinkelmehl, obwohl auch dort Gluten enthalten ist. Neben der Auswahl der passenden Getreidesorte für euer Gebäck solltet ihr außerdem auf die richtige Bearbeitung des Teiges achten. Denn nur, wenn ihr den Teig entsprechend lange oder kurz knetet, kann Gluten optimal wirken.

Wichtig bei Weizenteigen

Ein Teig, der aus Weizenmehl besteht, sollte lange geknetet werden. Der Grund: Die im Mehl enthaltenen Gliadine und Glutenine (ihr wisst schon, die Eiweißteilchen) bilden während des Knetens und unter Wasserzugabe Stränge. Wird der Teig nun weiterbearbeitet und noch ausgiebiger geknetet, verändern die Eiweißmoleküle immer wieder ihre Position bis letztlich lange Eiweißketten entstehen. Ihr könnt euch diese Ketten auch wie eine Art Eiweißgerüst vorstellen, das den Teig in seiner Form hält, ihn gleichzeitig aber auch schön elastisch und somit dehnbar macht. Super beschrieben wird dieser Vorgang in dem Buch „Brot“ von Teubner und der Bäcker-Nationalmannschaft: Während der Teigbearbeitung können die Stärkekörner quellen, Gase entfalten sich, der Teig dehnt sich aus, ohne zu reißen. Zudem verleiht Gluten den Backwaren ihren Biss und sorgt mit verkleisterter Stärke für die Brotkrume.

Tipp: Einen ausreichend gekneteten Weizenteig erkennt ihr daran, dass er mit den Fingern hauchdünn auseinandergezogen werden kann, ohne zu reißen. Es kann auch passieren, dass ein Teig zu intensiv bearbeitet wird. In diesem Fall spricht man von „überkneten“. Beim Überkneten zerstört ihr das wertvolle Netzwerk aus den Eiweißmolekülen im Gluten wieder – zu retten ist in diesem Fall leider nichts mehr. Der Teig kann sich später nicht mehr ausdehnen, im schlechtesten Fall ist ein hartes Brot das Resultat – und das wollen wir ja schließlich nicht.

Wichtig bei Dinkelteigen

Wenn ihr einen Teig aus Dinkelmehl zubereitet, solltet ihr darauf achten, den Teig nicht zu lange zu bearbeiten – sonst überknetet ihr ihn und die Eiweißketten brechen wieder auseinander. Dinkel enthält zwar Gluten, allerdings sind die Eiweißketten nicht so stark wie bei Weizen.

Wichtig bei Roggenteigen

Anders als bei Weizenmehl-Teigen sieht es bei Teigen auf Roggenmehl-Basis aus: Dort nehmen vor allem die enthaltenen Schleimstoffe, sogenannte Pentosane, das Wasser im Teig auf und heften sich an die Eiweißmoleküle an. Deshalb können diese wiederum keine Eiweißketten und folglich kein „Gerüst“ bilden. Roggenteige werden deshalb nicht so lange geknetet wie Weizenteige. Pentosane sind zudem für die Krume bei Roggenbroten verantwortlich. Hinweis: Roggenmehle werden immer nur mit Säure verarbeitet, da die in Roggen enthaltenen Enzyme (Amylasen) sonst unter anderem die Stärke abbauen würden.  

Nach dem Kneten solltet ihr eurem Teig Ruhe gönnen.


Wir sprechen dann von Teigruhe. In dieser Zeit passiert einiges im Inneren des Gemenges, unter anderem kann sich das Teiggerüst aus Gluten entspannen. Und das ist essenziell für euer Gebäck.


Welches Getreide enthält wie viel Gluten?

Nahezu alle Getreidesorten enthalten Gluten. Allerdings zu unterschiedlichen Anteilen.

Zu den Gluten-Spitzenreitern zählen Dinkel und Weizen.


In 100 Gramm Dinkelmehl Type 630 stecken nach Angaben des Bayerischem Kompetenzzentrums für Ernährung im Schnitt 10.300 Milligramm Gluten. 100 Gramm Weizenmehl Type 405 enthalten 8.660 Milligramm Gluten und dieselbe Menge an Roggenmehl 3.177 Milligramm Gluten. Neben diesen Getreidesorten lässt sich Gluten unter anderem in Gerste, Hafer und den Urgetreidearten Emmer und Einkorn nachweisen.

Fertigprodukte und Bier enthalten ebenfalls den Kleber: In Weißbier stecken nach Angaben des Bayerischen Kompetenzzentrums für Ernährung 274 Milligramm Gluten zu je 100 Gramm Bier. Da Gluten in industriell gefertigten Produkten oft als Bindemittel eingesetzt wird, ist das Eiweißgemisch häufig auch in Soßen, Wurst, Schokolade, Kartoffelchips, eingelegten Speisen, Frischkäse und beispielsweise in Tiefkühl-Pommes zu finden. Bei einer Unverträglichkeit hilft im Zweifelsfall immer ein Blick auf die Zutatentabelle des Lebensmittels.

Warum haben manche Menschen eine Glutenunverträglichkeit?

Fakt ist leider, dass immer mehr Menschen unter einer Glutenunverträglichkeit leiden. Die Folge können verschiedene Krankheiten sein. Ein Grund dafür ist, dass Gluten aufgrund seiner komplexen Struktur sowie seinen enthaltenen nicht-essenziellen Aminosäuren nur schwer von uns verdaut werden kann und unsere Verdauungsenzyme zudem bei ihrer Arbeit hemmt. Zöliakie, eine chronische Darmerkrankung, ist wohl eine der bekanntesten Gluten bedingten Krankheiten.

Wer sich nach dem Verzehr glutenhaltiger Lebensmittel unwohl fühlt und etwa unter Bauchschmerzen leidet, kann auf etliche alternative Produkte zurückgreifen. Als glutenfrei gelten laut EU-Verordnung Nahrungsmittel, die den Höchstwert von 20 Milligramm pro Kilogramm nicht überschreiten. Chiasamen, Johannisbrotkernmehl oder gemahlene Flohsamenkörner sind nur drei von mittlerweile sehr vielen Lebensmitteln ohne Gluten. Als glutenfrei gelten ebenso naturbelassene Milchprodukte, Nüsse, Kartoffeln, Mais, Reis, Hülsenfrüchte, Fleisch, Fisch, Eier, Obst sowie Gemüse. Bestimmte Gewürze, Salz und Zucker beinhalten ebenfalls keinen Kleber. Und auch in Hefe, egal ob Trocken- oder Frischhefe, befindet sich meist (!) kein Gluten.


Verwendete Quellen: “Brot” von Teubner und der Bäcker-Nationalmannschaft; baeckerlatein.de/gluten-kleber; baeckerlatein.de/knetphase; kern.bayern.de; apotheken-umschau.de; chemie.de/lexikon/Gluten; fet-ev.eu/gluten

 
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